Eine heilpädagogische Wohngruppe ist eine Wohnform für Kinder und Jugendliche, welche in ihrer Entwicklung oder Persönlichkeit stark beeinträchtigt sind und alleine oder in anderen Wohnformen nicht mehr zu Recht kommen. Sie sind häufig in ihrem Verhalten stark auffällig oder haben im Laufe ihres Lebens psychiatrische Symptome entwickelt, wie Traumata, Bindungs- und Persönlichkeitsstörungen, Selbstverletzung oder Sucht. Die meisten sind zuvor bereits in psychiatrischen Kliniken oder ambulant psychiatrisch behandelt worden. Es gibt bereits erfolgreich integrierte Wohngruppen auf landwirtschaftlichen Betrieben.
Handelt es sich bei Ihrem Betrieb eben nicht um einen, dessen Haupteinnahmequelle die Landwirtschaft ist? Könnten Sie sich eher vorstellen die abgeschiedene, ländliche Lage („das reizarme Umfeld“), eine Kleintierhaltung und Gärten als pädagogische bzw. therapeutische Elemente zu nutzen, um für Kinder und Jugendliche ein geborgenes, Strukturgebendes Umfeld aufzubauen?
Die jungen Menschen würden häufig 2 – 3 Jahre auf Ihrem Betrieb leben und sind zwischen 13 und 18 Jahre alt. Danach sollten sie in ihre Familie zurückgeführt oder auf ein eigenständiges Leben vorbereitet werden. Bei diesem Modell sollte der Alltag durch regelmäßige einzel- oder gruppentherapeutische Angebote bereichert werden. Grundlage für die Unterbringung ist § 34 und §35a SGB VIII.
Zielgruppe:
Kinder und Jugendliche 13-18 Jahre
zusätzliche Arbeitskraft:
nein
Anstellungsverhältnis:
nein
Verbindung zur Landwirtschaft:
je nach Absprache, können die jungen Menschen auf dem Betrieb eigene Tätigkeiten über-nehmen, oder eine Ausbildung absolvieren
der landwirtschaftliche Betrieb bzw. sein Umfeld, als Ort zum "zur Ruhe kommen" und um einen natürlichen Rhythmus zu erleben
pädagogische Qualifikation:
je nachdem, ob lediglich Wohnraum vermietet, oder selbst das Angebot durchgeführt wird
Begleitung von außen:
je nachdem, ob lediglich Wohnraum vermietet, oder selbst das Angebot durchgeführt wird
Finanzierung:
durch Vermietung
Entgeltvereinbarung für die Hilfen/Leistung (nur als anerkannter Träger der Kinder- und
Jugendhilfe)
2. Was gilt es zu beachten?
Bei diesem Modell geht es demnach weniger darum, dass Kinder und Jugendliche aktiv auf Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeiten.
Vielmehr sollen im ländlichen Raum Wohnmöglichkeiten geschaffen werden, bei welchen Natur und Tiere als therapeutische und pädagogische Elemente vorhanden sind und förderlich sein können.
In der Heilpädagogischen Wohngruppe soll - neben dem bäuerlichen bzw. ländlichen Umfeld – vorrangig ein „therapeutisches Milieu“ wirken.
Gemeint ist damit ein eng geknüpftes, professionelles Beziehungsnetz aus pädagogischer Betreuung und Begleitung und engem Kontakt zu niedergelassenen Ärzten oder psychiatrischen Kliniken.
Möchten Sie selber eine derartige Wohngruppe aufbauen, braucht es:
Mitarbeiter*innen mit pädagogischen und therapeutischen Qualifikationen,
sowie eine Anerkennung des Landesjugendamtes als heilpädagogische Einrichtung bzw. Jugendhilfeträger.
Dafür muss eine Leistungsvereinbarung, in welchem die Art und Grundlage der Leistung, die Zielgruppe des Angebotes, das methodische Vorgehen, Ziele und die Qualitätssicherung (Dokumentationen, Teamsitzungen, Entwicklungsberichte für das Jugendamt, Fortbildungen etc.) beschrieben wird, verfasst werden.
Häufig kann dieses Modell auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mit therapeutisch / pädagogisch angeleiteten Mensch – Tier Begegnungen als individuelle Hilfeleistung (welche im Hilfeplan festgelegt werden) verbunden werden.
Die Aufnahme der Kinder / Jugendlichen sollten mit Einwilligung und nach einer Probezeit erfolgen.
Es könnte aber ebenso die Möglichkeit bestehen, dass Sie als Landwirt*in lediglich Gebäudekomplexe auf Ihrem Betrieb an einen sozialen Träger vermieten und somit lediglich die Rolle eines/einer Vermieter*in einnehmen.
Auch hier sollte beachtet werden, dass die Kinder und Jugendlichen auf Ihrem Betrieb wohnen und leben und daher das gesamte Hofleben auch stark mit prägen können.
Ebenso wäre es möglich, dass Gruppen aus einer Heilpädagogischen Wohngruppe für ein paar Stunden auf Ihrem Betrieb ein Angebot (z.B. Reittherapie) wahrnehmen.
3. Voraussetzungen, welche Sie als Landwirt*in, die Hofbewohner*innen und die Struktur des Betriebes mitbringen sollten
Auf dem Betrieb müssen sich entsprechende Wohnkomplexe finden lassen:
mit ansprechenden Einzelzimmern,
Gemeinschaftsräumen,
geeignete Sanitäreinrichtungen,
Therapieräumen
und großen Küchen
Für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen braucht es pädagogische Fachkräfte (Sozialpädagog*innen, Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen, oder Heilerziehungspfleger*innen).
Möchten Sie Ihren ganzen Betrieb auf das Modell „Heilpädagogische Wohngruppe auf einem Bauernhof“ einstellen, können Sie landwirtschaftliche bzw. gärtnerische Tätigkeiten und pädagogisch /therapeutisch begleitete Tierbegegnungen (beispielsweise auch Reittherapie) als Sonderleistungen anbieten.
Dafür muss der Betrieb dann entsprechend strukturiert sein: Gärten in welchen sich die Kinder und Jugendlichen probieren können, Reitplätze auf welchen sie in Kontakt mit dem Pferd treten können.
Alle Tiere sollten natürlich für diesen menschlichen Kontakt auch geeignet sein und sich das Personal im Bereich der Tiergestützten Interventionen weiterbilden.
Die Kosten für Weiterbildungen müssen in Eigenleistung erbracht werden.
Möchten Sie lediglich Wohnkomplexe vermieten (und ggf. Hausmeistertätigkeiten übernehmen) ist wenig freie Arbeitskapazität erforderlich.
4. Finanzierungsmöglichkeiten
Stellt der landwirtschaftliche Betrieb Wohnkomplexe zur Vermietung an einen Jugendhilfeträger ist die Hauptfinanzierungsquelle die Miet- und Nebenkosteneinnahmen.
Sind Sie zusätzlich zu dem landwirtschaftlichen Betrieb ein anerkannter Träger der Jugendhilfe oder möchten einer werden, so würde mit einer dazugehörigen Betriebserlaubnis die Finanzierung folgendermaßen aussehen:
die Finanzierung läuft als Jugendhilfeträger über eine Entgeltverhandlung mit dem zuständigen Jugendamt in welchem die Tagessätze (Regelleistungsentgelte) für einen Platz in Ihrer Wohngruppe verhandelt werden.
Grundlage sind Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarung.
Pädagogisch/ therapeutisch angeleitete Tierbegegnungen und Gartentätigkeiten könnten als Sonderleistungen angeboten werden, für welche Fachleistungsstunden verhandelt werden.
5. An wen kann ich mich wenden?
die sozialen Dienste, welche Heilpädagogische Wohngruppen im ländlichen Raum anbieten, bei den Jugend- und Sozialämtern https://www.ov-weimar.de/aemter.html
erfragen. Diese Anbieter können Ihnen dann benennen, welchen Wohnraum sie noch benötigen.
Wenn Sie selbst eine Heilpädagogische Wohngruppe leiten / betreuen möchten(bei Erfüllung der Voraussetzungen - entweder Sie sind selbst anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe bzw. Eingliederungshilfe oder gehen eine Kooperation ein.) , wenden Sie sich an das zuständige Sozialamt / Jugendamt ihres Landkreises/ kreisfreien Stadt.
Hier wird dann ein Bedarf für Ihre Region ermittelt.