Wohnmöglichkeiten für Senioren*innen auf dem Bauernhof
Kurze Beschreibung des Modells
Alte Menschen und ihre Angehörigen im ländlichen Raum stehen vor großen Herausforderungen, denn immer mehr Pflegeheime sind im städtischen Raum angesiedelt. Um allen Menschen die Möglichkeit zu geben in ihrer Heimat ihren Lebensabend zu verleben, benötigt es Kooperationen im ländlichen Raum. Ebenso gibt es viele Senioren*innen, welche nicht alleine in der Stadt ihren Lebensabend verbringen möchten, sondern sich nach einer vielfältigen Hofgemeinschaft sehnen. In diesem lebendigen Kontext lassen sich u.a. Tiere, Pflanzen und spielende Kinder beobachten. Daher besteht eine große Nachfrage nach alternativen Wohnmöglichkeiten für ältere Menschen im ländlichen Raum. Die Zielgruppen können sich bei diesem Modell auch erweitern, so könnten ebenfalls Wohnungen an bspw. Alleinerziehende mit Kindern vermietet werden.
Können Sie (und Ihre Familie bzw. die anderen Hofbewohner*innen) sich vorstellen, dass ältere Menschen ihren Lebensabend auf Ihrem Hof verbringen und ggf. (auf freiwilliger Basis) auch bei einigen Teilhabeangebote (wie melken, Eier sammeln etc.) unterstützen? Möchten Sie vorzugsweise in der Rolle als Vermieter*in mit der Zielgruppe in Kontakt treten? Könnten Sie sich aber auch vorstellen Zusatzangebote wie das Kochen, Putzen und/oder Waschen anzubieten?
Zielgruppe:
Senior*innen
mögliche Anzahl:
je nach Kapazität, Möglichkeiten und Finanzierung
zusätzliche Arbeitskraft:
nein
Anstellungsverhältnis:
nein
Verbindung zur Landwirtschaft:
der ländliche Raum und der landwirtschaftliche Betrieb als gewohntes Umfeld
pädagogische Qualifikation:
ja, je nach Modell
Begleitung von außen:
vom Modell abhängig
Finanzierung:
vom Modell abhängig
Stellen ungenutzte Bausubstanz bzw. ungenutzte Wohnflächen eine Ihrer Ressourcen dar, gibt es die Möglichkeit ganz unterschiedliche Wohnmöglichkeiten für Senioren anzubieten:
Seniorenhausgemeinschaft
Bei diesem Modell könnten mehrere ältere Menschen welche (noch) kaum Unterstützungsbedarf haben in eigenen Wohnungen zusammen leben und sich gegenseitig unterstützen. Sie sind lediglich Mieter*innen auf Ihrem Betrieb. Ist ein größerer Bedarf vorhanden – welche die gegenseitige Unterstützung nicht abdecken kann - kann auch ein externer Pflegedienst hinzugezogen werden. So können ältere Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung führen, durch die gegenseitige Unterstützung wird Isolation und Vereinsamung vermieden. Dieses Modell ist auch für ältere Menschen denkbar, welche sich schon lange kennen und gemeinsam ihren Lebensabend auf dem Hof verbringen möchten. Demnach würden sie eine Wohnung mit Küche und Bad gemeinsam nutzen. Diese Wohnform kann sich in der Zukunft auch zu einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft weiterentwickeln und wird als Seniorenwohngemeinschaft bezeichnet.
Betreutes Wohnen für Senioren auf dem Bauernhof
Dieses Modell ist ganz ähnlich dem vorherigen Modell. Hierbei wohnen die Senior*innen jedoch in ihrer eigenen, abgeschlossenen Wohnung.
Ambulant betreute Wohngemeinschaft (abWG)
Bei diesem Modell würden mehrere ältere Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarfen zum Beispiel Menschen mit Demenz) auf Ihrem Betrieb gemeinsam und selbstbestimmt in einer Wohnung zusammen leben. Die Bewohner*innen teilen sich gemeinsam die Pflege- und Betreuungsdienste, so kann mehreren Menschen mit Pflegegrad eine Alternative zu ihrer häuslichen Wohnsituation oder zu einem Leben in einer stationären Einrichtung ermöglicht werden. Auch hier könnten zusätzliche Dienstleistungen angeboten werden. Zuvor sollte über einen Träger abgeklärt werden, ob es genügend Interessierte für dieses Angebot gibt.
2. Was gilt es zu beachten?
Bei allen Modellen ist es wichtig, dass eine Person auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der/die Hauptansprechpartner*in ist. Gleichzeitig sollte diese Person auch auf ihren eigenen Rückzugsraum achten und darauf, dass dieser von den Senior*innen auch respektiert wird.
Bei dem Ausbau und der Renovierung von ungenutzter Bausubstanz sollten Sie die Bestimmungen aus dem Baurecht beachten und im besten Falle vor Baubeginn bereits mit dem Bauamt Ihrer Region kommunizieren.
Ein gemeinsames Kochen wird häufig sehr gerne angenommen. Hierbei sollten Bestimmungen für die Lebensmittelhygiene beachtet werden.
Um den Aufenthalt für die Bewohner*innen langfristig sicherzustellen, könnten Sie folgende Angebote erbringen: Vermietung von Räumlichkeiten bis hin zu ganzen Wohnkomplexen, Hauswirtschaftliche Versorgung und Verpflegung (Wäschewaschen und die Zubereitung von Mahlzeiten), Hausmeistertätigkeiten, Vermittlungsdienste (Fahrdienste, Frisör etc.).
Betreuungs- und Pflegeleistungen sollten vor allem durch eine Kooperation mit einem Pflegedienst sichergestellt werden, bzw. können diese (bei geeigneter Fachqualifikation) auch selber erbracht werden.
Beschäftigungsangebote in Form von tiergestützten und gartentherapeutischen Aktivitäten auf dem Betrieb könnten über den Entlastungsbetrag des niedrigschwelligen Betreuungsangebotes finanziert werden (s. Modell).
Wird die Landwirtschaft im Haupterwerb und das Angebot Seniorenwohnen auf dem Bauernhof als Nebenerwerb angeboten, ist es ratsam einen Steuerberater miteinzubeziehen, um zu klären welche Umsätze zu welchem Bereich gehören.
Der Versicherungsschutz sollte ggf. angepasst werden, wenn sich neue Hofbewohner*innen auf dem Betrieb aufhalten.
3. Voraussetzungen, welche Sie als Landwirt*in, die Hofbewohner*innen und die Struktur des Betriebes mitbringen sollten
An Sie als Landwirt*in und alle anderen Hofbewohner*innen:
Es braucht Zeit, Offenheit, bzw. Akzeptanz aller Bewohner*innen, nur so können sich die neuen Bewohner*innen auch zuhause fühlen.
Allen Hofbewohner*innen muss klar sein, dass die Anwesenheit von Dauermietern den Alltag auf dem Hof verändern wird.
Das Forschungsprojekt VivAge fand heraus, dass die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Angebot ist, dass sich die Bewohner*innen als Individuum geschätzt fühlen.
Die Unterschiede von Menschen im hohen Alter nehmen zu und diese möchten wahrgenommen werden.
Ein Probewohnen von 2 – 4 Wochen kann helfen die Menschen zu finden, welches sich gemeinsam wohlfühlen.
Für Zusatzangebote (s.o) wird natürlich freie Arbeitskapazität und eine natürliche Affinität für diese Zielgruppe, sowie ein pflegerisches, soziales Grundverständnis benötigt.
Haben Sie selbst Interesse, sich im pflegerischen Bereich auf Ihrem Betrieb zu verwirklichen ist es wichtig die Rahmenbedingungen des jeweiligen Modells zu beachten und dass bestimmte Qualifikationen notwendig sind.
Das Angebot bekommt eine Qualität, wenn die Menschen an einem lebendigen Hofalltag teilhaben können. Sie können bspw. das Hofleben mitgestalten, bei den anstehenden Aufgaben/ Tätigkeiten teilhaben oder unterstützen, und/oder einfach die Natur und das Umfeld genießen.
Für Menschen mit pflegerischen Bedarf geht es eher um eine Beobachtungsposition in einem geschützten Raum (Beim Kaffetrinken auf die Kuhweide schauen, ein Kätzchen kommt ans Fenster, Kindern beim Spielen auf dem Hof zuschauen etc.).
Diese Teilhabemöglichkeiten bzw. Beobachtungsmöglichkeiten müssen daher bewusst gestaltet werden bzw. als Möglichkeit vorhanden sein.
An die Struktur des Betriebes
Für diese Angebote muss es sich nicht zwangsweise um einen aktiv wirtschaftenden Betrieb handeln. Vielmehr sind die vorhandenen Naturelemente und Tiere, welche beobachtet werden können, entscheidend.
Für die Lage des Betriebes ist eine gute Infrastruktur (Ärzte, Apotheke, Frisör, Kirche, Einkaufmöglichkeiten) bzw. eine gute Anbindung durch den öffentlichen Personennahverkehr von Vorteil. Ansonsten müssen Fahrdienste organisiert werden. Hierbei ist auch die Mobilität im Ort nicht zu vergessen, denn schon 200m Kopfsteinpflaster mit einem Rollator auf dem Weg zur Bushaltestelle können problematisch werden.
Auf dem Betrieb sollte die Möglichkeit bestehen kleinere, barrierefreie, in sich abgeschlossene Wohneinheiten aus landwirtschaftlich nicht mehr benötigter Gebäudesubstanz umzubauen. Für die Umbaumaßnahmen braucht es häufig eine Baugenehmigung – da häufig ein „Bauen im Außenbereich“ §35 BauGB vorliegt.
Die Wohnungen müssen entsprechend den Bedürfnissen der älteren Bewohner*innen gestaltet sein d.h. es braucht einen Lift, ebenerdige Duschen, ggf. Internet, Telefon (+ ein Notruftelefon?), TV-Anschluss und allg. eine barrierefreie Gestaltung aller Räume.
Gemeinschaftsräume zum gemeinsamen Essen und kochen werden häufig gerne genutzt. Es braucht eine bewusste Gestaltung der Räumlichkeiten, sodass die Tiere, Pflanzen bzw. das Hofleben aus einem geschützten Raum miterlebt werden kann. Eine räumliche Trennung zwischen den Wohneinheiten und den landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden kann dennoch sinnvoll sein (Beeinträchtigung durch Lärm, Staub, Unfallgefahren etc.).
Der Betrieb könnte sich aber auch insgesamt vermehrt auf die Zielgruppe ausrichten. Demnach könnten mehr Teilhabemöglichkeiten in der Gartenarbeit und der Tierversorgung angeboten werden (Teilhabe am landwirtschaftlichen Alltagsgeschehen).
4. Finanzierungsmöglichkeiten
Die Miet- und Nebenkosteneinnahmen stellen häufig die Haupteinnahmequelle dar. Für den Aufbau eines solchen Angebots und die Planung der Restauration von Wohnraum braucht es Eigenkapital!
Zusatzangebote für Betreuungsleistungen im landwirtschaftlichen bzw. tiergestützten Bereich könnten (bei Pflegegraden) über das niedrigschwellige Betreuungsangebot bzw. über den Betreuungs- Entlastungsbetrag §45 SGB XI oder auch über Selbstzahler*innen finanziert werden.
Über die Möglichkeiten zusätzliche Angebote im Bereich Hauswirtschaft, Versorgung und Verpflegung anzubieten, sowie über Möglichkeiten pflegerische Leistungen anzubieten, klären wir Sie gerne in einem persönlichen Beratungsgespräch auf.
Für Zusatzangebote im Bereich Hauswirtschaft, Versorgung und Verpflegung (Wäschewaschen und die Zubereitung von Mahlzeiten), Hausmeistertätigkeiten, Fahrdienste sollte ein Dienstleistungsunternehmen gegründet werden und eine Pauschale vereinbart werden.
Bei geeigneter Fachqualifikation können sich Hofbewohner*innen über eine Anstellung bei einem Träger von Pflegeleistungen anstellen bzw. diesen selber auf dem Hof gründen. Für eine 24h Pflege sollte aber in jedem Falle eine Kooperation eingegangen werden.
5. An wen kann ich mich wenden?
Es hat sich gezeigt, dass ein proaktives Zugehen auf die Behörden eine gute Vorgehensweise sein kann.
Suchen Sie sich die Ämter und sozialen Träger in Ihrer Region heraus und stellen Sie hier Ihr mögliches Angebot vor.
Bei großem Bedarf können Sie durchaus auf sehr offene Ohren stoßen und Hilfe bei der Konzepterstellung angeboten bekommen.
Da es bislang in Thüringen noch keine Beispiele an Wohnmöglichkeiten für Senioren*innen auf dem Bauernhof gibt (Stand 2019) würden Sie auf dem Gebiet Pionierarbeit leisten.
In anderen Bundesländern zeichnet sich jedoch eine sehr große Nachfrage ab: