Es existiert in Deutschland noch kein einheitlicher Typus von Produktionsschulen und sie sind sehr unterschiedlich verbreitet und finanziert. Alle Produktionsschulen stellen ein alternatives pädagogisches Konzept zur dualisierten Ausbildungsvorbereitung an berufsbildenden Schulen (AvDual) für schulpflichtige Jugendliche dar, die keine gesicherte Berufswahlentscheidung getroffen haben und von denen zu erwarten ist, dass sie die schulischen Angebote der Ausbildungsvorbereitung nicht annehmen werden.
Die Produktionsschule steht für ein ganzheitliches Konzept, d.h. Lernen an Produktionsaufgaben. Durch einen praktizierenden produktionsorientierenden Unterrichtsansatz, d.h. die Lern- und Bildungsprozesse sind in reale Auftragssituationen eingebettet und stellen eine Verbindung zwischen Arbeit und Lernen dar, entsteht ein Ernstcharakter für die Jugendlichen, Lernen beim Tun. Gleichzeitig kann der Haupt- in einigen Fällen sogar der Realschulabschluss nachträglich erworben werden.
Die Bandbreite der praktischen Zweige ist groß, als Beispiel
Produktionsbereich Wolle
Kennenlernen von Grundlagen der Wollverarbeitung und Schafhaltung
Farblehre und Färberpflanzenkunde
Aufbereitung heimischer Schafwolle
Teilnahme an Workshops
Filzen, Spinnen, Stricken, Häkeln, Weben, Nähen
Produktionsbereich Forst
Waldarbeiten im Gebiet des Nationalparks Sächsische Schweiz
Kennenlernen und Bestimmen von Baumarten und Schadensbildern
Teilnahme an Qualifizierungsangeboten (Motorkettensägenkurs)
Dienstleistungen im Forst
Produktionsbereich Service
Vor- und Zubereitung des Mittagessens für alle Werkstattmitarbeiter
Serviceleistungen im Bereich Tourismus
Hauswirtschaftliche Dienstleistungen
Umweltprojekte
2. Was gilt es zu beachten?
Das Angebot richtet sich an Jugendliche, die nicht nur Schwierigkeiten mit dem Übergang haben, sondern die sich auch in den klassischen Maßnahmen nicht einbringen können, da ihre Probleme tiefgreifender sind.
Dies äußert sich häufig in einer Verweigerungshaltung jeglichem schulischen Lernen gegenüber, da sie grundlegende Schlüsselqualifikationen nicht beherrschen.
Einen Weg zu finden, diesen Jugendlichen die Neugier auf das Lernen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurückzugeben und ihnen damit den Weg in eine selbstbestimmte berufliche und auch private Zukunft zu öffnen ist eine der zentralen Aufgaben, häufig aber auch eine große Herausforderung.
3. Voraussetzungen, welche Sie als Landwirt*in, die Hofbewohner*innen und die Struktur des Betriebes mitbringen sollten
Das pädagogische Personal soll neben berufsfachlicher und betriebswirtschaftlicher auch über sozialpädagogische Kompetenzen (erfahrene Ausbilder*innen/Meister*innen, Berufsschul-Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen/Sozialarbeiter*innen) verfügen.
Wünschenswert sind Fachkräfte mit einer Doppel- oder Mehrfachqualifikation/Ausbildung zum Werkstattpädagogen.
Das pädagogische Handeln von Anleiter*innen/Lehrkräften ist somit geprägt durch eine respektvolle Haltung gegenüber den Jugendlichen und ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen.
4. Finanzierungsmöglichkeiten
Die Zulassung von produktionsorientierten Arbeiten beim Massnahmeträger im Rahmen von Aktivivierungshilfen (§45 SGB III) und die Entwicklung eines zusätzlichen Fachkonzeptes für Berufsvorbereitende Bildungsmassnahmen (§ SGB III) mit einer Produktionsschulausrichtung (BvB-Pro).
Im § 13 Abs. 2 SGB VIII heißt es außerdem dazu: „Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen oder Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen
ca. 100 Produktionsschulen (PS) geben aktuell pro Jahr 5.000 Lernenden ein Angebot
In Dänemark sind Produktionsschulen ein Teil des Regelschulsystems, in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und in Teilen Sachsens sind sie gut verbreitet und bisher über spezielle Landesförderungen deutlich unterstützt worden, nur südlich der Mainlinie gibt es sie bisher kaum.
In Thüringen:
Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Freistaats Thüringen zur Förderung der sozialen Integration und zur Armutsbekämpfung gemäß Prioritätenachse B „Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung von Armut und jeglicher Diskriminierung“ im Rahmen des Operationellen Programms Europäischer Sozialfonds 2014 bis 2020 im Freistaat Thüringen – Aktivierungsrichtlinie unter 2.3. Praxisorientierte Maßnahmen. Ob Produktionsschulen in Thüringen unter dieser Richtlinie arbeiten, ist zur Zeit nicht bekannt.